Archäologen entdecken seltene mittelalterliche Runen in Oslo
Jahrhundertfund
Archäologen im norwegischen Oslo haben gleich zwei bemerkenswerte Entdeckungen gemacht: einen seltenen Runenknochen und eine hölzerne Leiste, die sowohl mit lateinischen als auch mit altnordischen Runen beschriftet ist. Diese Funde geben wertvolle Einblicke in das Leben und den Glauben der mittelalterlichen Bewohner Oslos.
Der Runenknochen
Der Runenknochen, der erste seiner Art, der seit über 30 Jahren in Oslo gefunden wurde, wurde von Solveig Thorkildsen vom Norwegischen Institut für Kulturerbeforschung (NIKU) entdeckt. In eine Rippe eines großen Pferdes oder einer Kuh geritzt, trägt der Knochen 14 Runen, die vorläufig auf die Zeit zwischen 1100 und 1350 n. Chr. datiert wurden.
Runenexpertin Kristel Zilmer vermutet, dass die Runen einen Namen oder Spitznamen darstellen könnten, möglicherweise aber auch einen Satz, der den Knochen selbst beschreibt. Die Bedeutung der Runen soll durch Laboranalysen weiter erforscht werden.
Die Holzleiste
Wenige Tage nach der Entdeckung des Runenknochens fand Ingeborg Hornkjøl vom NIKU eine mit Runen beschriftete Holzleiste. Die Leiste, die in einem wassergefüllten Graben gefunden wurde, weist auf drei ihrer vier Seiten Runen auf.
Zilmers erste Analyse ergab die lateinische Phrase „manus Domine“ oder „Domini“, die Teil des Gebets „In deine Hände, o Herr, befehle ich meinen Geist. Du hast mich erlöst, o Herr, o Gott der Wahrheit“ sein könnte. Die Leiste trägt außerdem den altnordischen Namen Bryngjerd, was darauf hindeuten könnte, dass die Runen von einer Frau dieses Namens verwendet wurden, um ihre Hingabe zu Gott auszudrücken.
Einblicke ins mittelalterliche Leben
Diese Runenfunde geben einen Einblick in die Vielfalt von Wissen und Interessen der mittelalterlichen Bewohner Oslos. Runen wurden nicht nur zum Schreiben verwendet, sondern auch zum Ausdrücken von Gebeten, zum Markieren von Besitz und zum Festhalten wichtiger Ereignisse.
Die hohe Kontextgebundenheit der Runen bedeutete, dass nur die Elite lesen und schreiben konnte, aber ein breiterer Teil der Bevölkerung wäre mit gängigen Runen vertraut gewesen, die sich auf Phrasen, Namen und bekannte Texte bezogen.
Die Funde im Kontext
Die Entdeckung der Runen ist Teil der laufenden Ausgrabungen im mittelalterlichen Park von Oslo. Im Dezember gruben Archäologen des NIKU eine mittelalterliche Schnitzerei einer Person aus, die eine Krone trägt und einen Falken hält. Diese Schnitzerei aus Tierknochen könnte als Griff für ein Messer oder Werkzeug gedient haben und ist möglicherweise eine der ältesten skandinavischen Darstellungen der Falknerei.
Diese archäologischen Entdeckungen beleuchten gemeinsam das reiche kulturelle Erbe des mittelalterlichen Oslo und geben wertvolle Einblicke in das Leben und den Glauben seiner Bewohner.