Warum man einen Lügner nicht einfach durch Hinschauen erkennen kann
Nonverbale Hinweise: Ein entlarvter Mythos
Jahrelang haben die Leute geglaubt, dass Lügner durch ihre nonverbalen Hinweise identifiziert werden können, wie z. B. Herumzappeln, Vermeidung von Augenkontakt oder zu lautes Sprechen. Jahrzehntelange wissenschaftliche Forschung hat jedoch durchweg gezeigt, dass diese Hinweise unzuverlässige Indikatoren für Täuschung sind.
Psychologen haben zahlreiche Studien mit Tausenden von Teilnehmern durchgeführt, und die Ergebnisse waren eindeutig: Menschen sind beim Aufdecken von Lügen anhand nonverbaler Hinweise nicht besser als der Zufall. Selbst Polizeibeamte und andere geschulte Beobachter schneiden nicht besser ab als der Durchschnitt.
Das Problem mit Stereotypen
Ein Grund dafür, dass nonverbale Hinweise nicht zuverlässig sind, ist, dass sich Menschen oft auf Stereotypen über Lügner verlassen. Sie glauben, dass Lügner immer zappelig sein oder ihren Blick abwenden werden, aber das ist einfach nicht wahr. Tatsächlich sind einige Lügner sehr gut darin, ihre Körpersprache zu kontrollieren und ruhig und gefasst zu wirken.
Ein weiteres Problem mit nonverbalen Hinweisen besteht darin, dass sie leicht gefälscht werden können. Ein Lügner kann seine Körpersprache bewusst kontrollieren, um glaubwürdiger zu wirken, während eine ehrliche Person nervöse oder ängstliche Verhaltensweisen zeigen kann, die als Zeichen der Täuschung fehlinterpretiert werden.
Verbale Hinweise: Ein vielversprechenderer Ansatz
Da nonverbale Hinweise unzuverlässig sind, haben Forscher ihre Aufmerksamkeit verbalen Hinweisen zur Lügenaufdeckung zugewandt. Verbale Hinweise umfassen Dinge wie Inkonsistenzen in der Geschichte des Lügners, Ausweichmanöver und übermäßige Details.
Studien haben gezeigt, dass Menschen Lügen besser anhand verbaler Hinweise erkennen können als anhand nonverbaler Hinweise. Eine Technik, die sich als effektiv erwiesen hat, ist das strategische Zurückhalten von Beweisen. Indem man den Verdächtigen frei sprechen lässt, können die Ermittler die Chancen erhöhen, ihn in einen Widerspruch zu verwickeln.
Ein weiterer vielversprechender Ansatz ist der räumliche Gedächtnistest. Verdächtige zu bitten, eine Szene im Zusammenhang mit einem Verbrechen oder Alibi zu skizzieren, kann ihr Gedächtnis verbessern und Inkonsistenzen in ihrer Geschichte aufdecken.
Verhaltensanalyse-Screening: Eine Pseudowissenschaft
Trotz des Mangels an wissenschaftlichen Beweisen verwenden viele Strafverfolgungsbehörden immer noch das Verhaltensanalyse-Screening, um Täuschung aufzudecken. Diese Pseudowissenschaft basiert auf vagen und widersprüchlichen Kriterien wie abgewandtem Blick, starkem Schwitzen und übermäßigem Herumzappeln.
Die Forschung hat wiederholt gezeigt, dass das Verhaltensanalyse-Screening wirkungslos ist und zu falsch positiven Ergebnissen und Racial Profiling führen kann. Tatsächlich kam eine Überprüfung durch 50 Universitätsforscher aus dem Jahr 2019 zu dem Schluss, dass das Verhaltensanalyse-Screening „grundlegend fehlgeleitet“ sei und aufgegeben werden sollte.
Die Gefahren von Stereotypen und Pseudowissenschaft
Das Vertrauen auf Stereotype und Pseudowissenschaft bei der Lügenaufdeckung kann schwerwiegende Folgen haben. Unschuldige können zu Unrecht beschuldigt und wegen Verbrechen verurteilt werden, während Schuldige der Strafe entgehen können.
Der Fall Marty Tankleff ist ein tragisches Beispiel dafür, wie Stereotypen zu Ungerechtigkeit führen können. Tankleff wurde aufgrund seines ruhigen Auftretens nach dem Verbrechen zu Unrecht wegen des Mordes an seinen Eltern verurteilt. Jahre später wurde er freigesprochen, aber erst, nachdem er 17 Jahre im Gefängnis verbracht hatte.
Ein weiterer Fall, der die Gefahren der Pseudowissenschaft aufzeigt, ist der Fall Jeffrey Deskovic. Deskovic wurde aufgrund seiner emotionalen Reaktion auf das Verbrechen zu Unrecht wegen Mordes verurteilt. Er verbüßte fast 16 Jahre im Gefängnis, bevor er freigesprochen wurde.
Ein wissenschaftlicherer Ansatz zur Lügenaufdeckung
Psychologen und andere Forscher arbeiten daran, genauere und fairere Methoden zur Lügenaufdeckung zu entwickeln. Diese Methoden konzentrieren sich auf verbale Hinweise, räumliche Gedächtnistests und andere evidenzbasierte Techniken.
Indem wir Pseudowissenschaft aufgeben und wissenschaftliche Methoden annehmen, können wir die Genauigkeit der Lügenaufdeckung verbessern und das Risiko falscher Verurteilungen und Racial Profiling verringern.
Wie man einen Lügner erkennt: Tipps für die Verwirrten
Obwohl es keine narrensichere Methode gibt, einen Lügner zu erkennen, gibt es einige Dinge, die man tun kann, um seine Chancen zu erhöhen, Täuschung aufzudecken:
- Achte auf verbale Hinweise: Höre auf Inkonsistenzen, Ausweichmanöver und übermäßige Details.
- Berücksichtige den Kontext: Berücksichtige die Situation und die Persönlichkeit der Person.
- Sei dir deiner eigenen Vorurteile bewusst: Vermeide Annahmen aufgrund von Stereotypen oder Bauchgefühlen.
- Vertraue deinem Instinkt: Wenn sich etwas nicht richtig anfühlt, lohnt es sich, genauer hinzuschauen.
Denke daran, dass die Lügenaufdeckung eine komplexe und herausfordernde Aufgabe ist. Es gibt keinen Ersatz für sorgfältige Beobachtung, kritisches Denken und die Bereitschaft, die eigenen Annahmen in Frage zu stellen.