Geschichte: Das Wechselspiel von Macht und Protest
Innere Unruhen und globale Diplomatie
Traditionelle Analysen der Entspannung zwischen den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion haben sich auf die Machtpolitik zwischen den beiden Supermächten konzentriert. Der Historiker Jeremi Suri argumentiert jedoch, dass die Diplomatie der Supermächte auch von inneren Unruhen geprägt war, nicht nur in Großstädten wie Berkeley und Prag, sondern auch in Paris, Berlin und Peking.
Suri behauptet, dass innere Unruhen die Staats- und Regierungschefs eher dazu veranlassen, im Ausland nach Stabilität zu suchen. Dies liegt daran, dass sie befürchten, dass innere Unruhen ihre Macht und Legitimität schwächen könnten. Umgekehrt können auch globale Kräfte Protestbewegungen prägen. Nukleare Bedrohungen, politische Pattsituationen und intensive ideologische Propaganda können weltweit zu steigenden Erwartungen und wachsender Ernüchterung junger Bürger führen.
Die globale Störung von 1968
Suri untersucht die „globale Störung von 1968“, eine Periode, die von weit verbreiteten Protesten gegen den Vietnamkrieg und städtischen Unruhen in den Vereinigten Staaten sowie von zunehmenden Wellen jugendlicher Unzufriedenheit in anderen Ländern geprägt war. Diese Periode zeigte die enge Verbindung zwischen lokalen und globalen Ereignissen.
Die Bedeutung von sozialer Ordnung und Konsens
Suri argumentiert, dass politische Führer auf allen Ebenen, selbst in nichtdemokratischen Gesellschaften, sehr daran interessiert sind, die soziale Ordnung aufrechtzuerhalten und einen Konsens für ihre Politik aufzubauen. Sie erkennen, dass ihre Macht von der Unterstützung und Zusammenarbeit ihrer Bürger abhängt.
Frühere Historiker haben diese Verbindung oft übersehen und sich stattdessen bei der Untersuchung der lokalen Geschichte auf lokale Themen konzentriert. Suri glaubt, dass dieser enge Fokus zu einem verzerrten Verständnis historischer Ereignisse geführt hat.
Internationale Angelegenheiten neu konzipieren
Suris Arbeit zielt darauf ab, das Studium internationaler Angelegenheiten im Zeitalter der Globalisierung neu zu konzipieren. Er argumentiert, dass traditionelle Ansätze dem Zusammenspiel von nationalen und globalen Kräften sowie der Bedeutung sozialer und kultureller Faktoren bei der Gestaltung der Außenpolitik nicht angemessen Rechnung getragen haben.
Suris Ansatz ist sehr originell und anspruchsvoll, hat aber das Potenzial, unser Verständnis internationaler Beziehungen zu verändern. Er ist weithin als führender Wissenschaftler auf diesem Gebiet anerkannt.
Politische, kulturelle und institutionelle Faktoren
Suri betont, wie wichtig es ist, die politischen, kulturellen und institutionellen Faktoren zu verstehen, die das Handeln eines Staates beeinflussen. Er glaubt, dass effektive Führer in der Lage sind, das Soziale mit dem Politischen zu verbinden und die Kluft zwischen einfachen Bürgern und politischen Entscheidungsträgern zu überbrücken.
Suris Beherrschung mehrerer Sprachen hat es ihm ermöglicht, umfangreiche Archivrecherchen in verschiedenen Ländern durchzuführen. Dies hat ihm eine einzigartige Perspektive auf das Zusammenspiel lokaler und globaler Kräfte bei historischen Ereignissen gegeben.
Multinationalismus und persönliche Identität
Suris multinationaler Hintergrund hat seine Perspektive als Historiker geprägt. Sein Vater wanderte aus Indien in die Vereinigten Staaten aus, während seine in Amerika geborene Mutter russisch-polnisch-jüdische Wurzeln hat. Dieses vielfältige Erbe hat ihm eine tiefe Wertschätzung für die Komplexität von Identität und die Herausforderungen des Lebens in einer globalisierten Welt vermittelt.
Die Macht von Ideen und persönlichen Erfahrungen
Suris Forschung wird von drei Hauptfragen angetrieben: Warum tun Menschen, was sie tun? Wie beeinflussen Ideen das Verhalten? Und wie beeinflussen unbeabsichtigte Folgen Ereignisse? Er glaubt, dass Ideen und Annahmen tief in unserer Weltsicht verankert sein können, manchmal ohne dass wir uns dessen überhaupt bewusst sind.
Suri argumentiert, dass persönliche Erfahrungen auch einen tiefgreifenden Einfluss auf die Politikgestaltung haben können. Als Beispiel nennt er Henry Kissinger, das Thema seines letzten Buches. Kissingers Erfahrung als Flüchtling aus Nazi-Deutschland hat seine Herangehensweise an internationale Beziehungen beeinflusst.
Eine Brücke zwischen Sozial- und Politikgeschichte schlagen
Suri sieht sich selbst als eine Brücke zwischen den Welten der Sozialgeschichte und der politischen Geschichte. Er untersucht das Zusammenspiel von Ideen, Persönlichkeiten und Institutionen bei der Gestaltung historischer Ereignisse. Er glaubt, dass es bei Macht letztendlich um die Fähigkeit geht, die soziale und die politische Sphäre zu verbinden.